Stadt, Land – Park

Zeitgenössische Landschaftsarchitektur zwischen Funktion und Vision.

Stadt, Land – Park.

Zeitgenössische Landschaftsarchitektur zwischen Funktion und Vision.

Landschaftsarchitektur ist mehr als die ästhetische Gestaltung von Grünflächen. Sie verbindet urbane Lebensräume mit ökologischer Nachhaltigkeit und schafft Orte, die den Alltag lebenswerter machen. Landschaftsarchitektur gestaltet, prägt und formt den öffentlichen Raum– von der Entwicklung ganzer Regionen bis hin zur kleinen Nische in der Stadt, vom urbanen Stadtplatz über die Straße bis hin zum Park. Ein Paradebeispiel dieser Disziplin ist der Riemer Park, den der französische Landschaftsarchitekt Gilles Vexlard im Auftrag und unter Mitwirkung der MRG für die Bundesgartenschau 2005 auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens München-Riem gestaltet hat. Ein zentrales Anliegen war es dabei, urbane und natürliche Elemente zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden.

Ausgezeichnete Gestaltung

Heute ist der Riemer Park, der 2005 die Bundesgartenschau beherbergte, eines der größten Naherholungsgebiete der Stadt. Auf fast 200 Hektar erstreckt sich eine einzigartige Kombination aus Formen, Farben und Funktionen. Im Jahr 2006 wurde er mit dem „International Urban Landscape Award“ der Eurohypo-Bank ausgezeichnet. Die Jury lobte das stringente Entwurfskonzept, das eine unverwechselbare Signifikanz für den Ort setze und Maßstäbe für einen zeitgemäßen, innovativen Umgang mit dem Landschaftsraum schaffe. Und tatsächlich: Geradlinige Wegeführung, Aussichtshügel und die Abfolge von geschlossene Waldmassiven und offenen Wiesen schaffen ein Gefühl von Weite, das in der Enge einer Großstadt wie München ungewöhnlich ist.

Badespaß trifft Ökozone

Herzstück des Parks ist – neben dem sogenannten „Rodelhügel“, einer durch Bodenaushub und Abbruchmaterial des ehemaligen Flughafens entstandenen Erhebung - der zehn Hektar große künstliche See. Der Riemer See wird durch Grundwasser gespeist und zeichnet sich durch eine hervorragende Wasserqualität aus. Seine Funktionsweise basiert auf einem natürlichen Selbstreinigungssystem, unterstützt durch eine umliegende Schilfzone, die als biologischer Filter fungiert und zur Wasseraufbereitung beiträgt. Der See dient sowohl als Freizeitfläche als auch als Reservoir für die Bewässerung der umliegenden Grünflächen. Im Sommer tummeln sich rund um den See mit seiner natürlichen Uferzone im Westen, dem Kiesstrand im Osten und den Kaianlagen im Norden die Bewohner*innen der Messestadt. Auch die Nachbar*innen aus Trudering, Haar oder Gronsdorf sowie Münchner*innen aus dem Stadtzentrum schauen regelmäßig vorbei.

Hohe Biodiversität

Gleichzeitig gibt es auch ruhige, naturnahe Zonen, in denen sich Tiere und Pflanzen ungestört entfalten können – ein bewusster Kontrast zu den belebteren Bereichen. Die ökologisch wertvollen Magerwiesen im Süden des Parks ziehen im Frühling und Sommer mit ihrem Blütenreichtum zahlreiche Insekten an. Beeindruckend ist auch der Nachweis von 321 verschiedenen Schmetterlingsarten im Riemer Park laut dem Referat für Bildung und Sport (Quelle: Städtische Berufsschule für Rechts- und Verwaltungsberufe, bs-recht.musin.de). Um die ökologische Vielfalt weiter zu fördern, wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen, darunter die Installation von Sitzstangen für Greifvögel, Nistkästen für Vögel und Fledermäuse, das Anbringen von Insektenhotels sowie das Belassen von Totholz und Unterholz als Lebensraum für diverse Tierarten.

Die unverkauften Felder

Doch der Riemer Park hat noch eine sehr menschliche Seite. Private Grundstücke, die für die Realisierung der endgültigen Parkanlage gemäß Bebauungsplan notwendig sind, konnten bislang nicht in das Eigentum der Landeshauptstadt München überführt werden, was dazu führte, dass ein Teil der ursprünglichen landwirtschaftlich genutzten Flächen bis heute unangetastet geblieben ist. Der Park ist damit nicht nur ein öffentlicher Raum, sondern auch ein Zeugnis der Schnittstellen zwischen privatem Eigentum und urbaner Planung. Dieses Beispiel zeigt, wie komplex die Schaffung solcher Freiräume sein kann und dass private und öffentliche Interessen oft schwer miteinander zu vereinbaren sind.

Stichwort „multifunktionale Räume“

Landschaftsarchitektur ist längst kein Luxusmehr, sondern eine Notwendigkeit und Motor zukunftsgerechter Regional- und Stadtentwicklung. In Städten wie München verbinden sich damit drängende Fragen der Urbanisierung: Wie schaffen wir Räume, die Menschen Erholung bieten, gleichzeitig die Natur schützen und Lebensräume für Tiere erhalten? Wie begegnen wir den Herausforderungen des Klimawandels in verdichteten Städten?

„Grünräume sind die Lunge der Städte“, hat Gilles Vexlard in einem Interview mit dem Magazin Stadt und Grün (Ausgabe4/2015) betont. Aber nicht nur: Sie sind Begegnungsorte, Klimapuffer und oft auch Kunstwerke. In urbanen Zentren geht es längst nicht mehr nur um den Erhalt von Parks, sondern um deren Weiterentwicklung zu multifunktionalen Räumen, in denen Architektur und Landschaft miteinander verschmelzen.

Grünräume gegen die Klimakrise

Die Prinzipien des Riemer Parks haben andere Entwicklungen in München beeinflusst, darunter neue Stadtquartiere wie den Prinz-Eugen-Park und München-Freiham. Dort setzt man ebenfalls auf die Integration großzügiger Grünflächen, die nicht nur die Lebensqualität erhöhen, sondern auch ökologische Funktionen übernehmen. Begrünte Dächer, urbane Wälder und naturnahe Wasserflächen helfen, die Temperaturen in Städten zu senken und extreme Wetterereignisse abzufedern. Der Riemer Park ist dabei nur eines von vielen Beispielen weltweit: Die High Line in New York zeigt etwa, wie ehemalige Industrieflächen in grüne Oasen umgewandelt werden können, während der Ekebergpark in Oslo Kunst, Kultur und Natur miteinander verbindet.

Neue Wohnbauprojekte in München, wie das „Zukunftsquartier Nordosten“, werden zeigen müssen, ob und wie die Erkenntnisse aus bestehenden Projekten umgesetzt werden können. Denn eines ist klar: Grünräume sind nicht nur ein Gewinn für die Bewohner*innen einer Stadt – sie sind eine Investition in die Zukunft.

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