München steht – wie alle Großstädte – vor der Herausforderung, sich den Auswirkungen des Klimawandels anzupassen. Hitzeperioden, Versiegelung, Verkehrszunahme und ein kontinuierliches Bevölkerungswachstum machen es schwer, das Stadtklima zu erhalten bzw. langfristig zu verbessern. Die eine Lösung gibt es nicht, stattdessen sind viele kleine Maßnahmen notwendig, die ineinandergreifen. Ein wichtiger Pfeiler, der insbesondere bei der Entwicklung neuer Wohnbauprojekte greift, sind Frischluftschneisen. Dabei handelt es sich um gezielt geplante Korridore, die eine Luftzirkulation zwischen der Stadt und den angrenzenden ländlichen Gebieten ermöglichen und der Aufheizung entgegenwirken.
Die Idee ist nicht neu: Sie entstand im 20. Jahrhundert, als Städte sich zunehmend mit den Folgen von Urbanisierung, Luftverschmutzung und dem sogenannten „Hitzeinseleffekt" auseinandersetzen mussten. Hitzeinseln bilden sich, wenn dichte Bebauung und asphaltierte Flächen besonders viel Wärme speichern. Insbesondere in den Sommermonaten kann dieser Effekt dazu führen, dass Städte tagsüber und auch nachts deutlich wärmer bleiben als das Umland. In München, wie in vielen anderen Großstädten, wird dieser Effekt immer spürbarer und beeinträchtigt die Lebensqualität der Menschen.
Durch Frischluftschneisen oder Kaltluftkorridore kann kühle, frische Luft aus Grünflächen, Wäldern und Feldern ungehindert in die Stadt strömen. In den 1970er Jahren begann man in Deutschland systematisch Luftkorridore freizuhalten. Ein Vorreiter war Stuttgart, das aufgrund seiner Kessellage besonders von Hitzestau betroffen ist. Die Stadt nutzt mittlerweile ihre topographische Lage, indem sie Hang- und Talflächen gezielt für den Luftaustausch freihält.
Die Messestadt Riem mit ihrem ökologischen Rahmenkonzept ist ein gutes Beispiel dafür, wie der Schutz des Mikroklimas effektiv in die Stadtplanung integriert werden kann. So wurden in dem neuen Stadtviertel auf dem Gebiet des ehemaligen Flughafens Riem von Anfang an Luftkorridore und ausgedehnte Grünflächen eingeplant, die sich heute als zentrale Elemente für die Luftzirkulation und die Kühlung der Umgebung erweisen. Zudem bieten die Schneisen auch ökologische Vorteile: Sie schaffen neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen und fördern die Biodiversität. Darüber hinaus entstehen wertvolle Erholungsräume für die Bevölkerung, die die Verbindung zur Natur auch im urbanen Umfeld stärkt.
Der großzügig angelegte Riemer Park und die so genannten „Grünfinger“ verzahnen Wohngebiete, Gewerbeflächen und Umgebung und sorgen dafür, dass kühle Luft ungehindert durch das Stadtviertel strömen kann. Zusätzlich wurde darauf geachtet, die Gebäudehöhen anzupassen und bei der Ausrichtung der Straßenachsen die vorherrschenden Winde zu berücksichtigen. Messungen bestätigen, dass in der Messestadt Riem im Vergleich zu dichter bebauten Stadtgebieten Münchens signifikant kühlere Temperaturen herrschen. Seit ihrer Entstehung haben zahlreiche ausländische Delegationen, u.a. aus Fernost, die Anlage und Wirkung der Riemer Frischluftschneisen begutachtet und wertvolle Informationen mitgenommen.
Wenn Städte wachsen, wächst auch die Gefahr von Hitzeinseln und damit die Gefahr, dass sich das städtische Klima insgesamt verschlechtert. Besonders gefährdet sind dann vulnerable Bevölkerungsgruppen wie Kinder und ältere Menschen. Daher ist die Integration von Frischluftschneisen entscheidend, wenn es um die Planung neuer Stadtviertel und großer Quartiere geht.
Bei der praktischen Umsetzung kann auch der Blick über die Landesgrenzen helfen: In Singapur etwa wurde das Konzept der „City in a Garden" eingeführt. Hier werden Parkanlagen und Grünflächen nicht nur zur Verschönerung der Stadt genutzt, sondern bilden ein enges Netzwerk, das den Luftaustausch fördert und die städtischen Temperaturen senkt. Trotz der hohen Bevölkerungsdichte schafft es Singapur so, ein angenehmes Mikroklima aufrechtzuerhalten.
Auch Tokio hat in den letzten Jahren verstärkt in Frischluftschneisen investiert. In neuen Stadtentwicklungsgebieten wie Odaiba wird der Luftfluss durch niedrige Gebäude und breite Grünflächen gefördert. Dieses Modell wird zunehmend auf weitere Stadtteile übertragen und hat bereits nachweislich die Luftqualität verbessert und die Temperatur in stark bebauten Gebieten gesenkt.
Das Ökologische Rahmenkonzept für die Messestadt Riem gab wissenschaftlich vor, was später in der Bebauungsplanung und in der Gestaltung und Verwirklichung des Riemer Parkes und in den Grünflächen des neuen Stadtteils maßgeblich umgesetzt wurde. Die Landschaftsarchitektinnen und -architekten der MRG sowie die beauftragten Landschaft- und Freianlagenplaner*innen orientieren sich bis heute an den im ökologischen Rahmenkonzept enthaltenen Prinzipien, die sich seit 1994 in Theorie und Praxis bewährt haben.
Auch bei neuen Entwicklungsmaßnahmen in der Stadt München, wie z.B. dem Zukunftsprojekt „Münchner Nordosten“, kann die MRG auf diese Expertise zurückgreifen – erweitert um aktuelle wissenschaftlich belegte Fakten und Erkenntnisse.